Interview,  Kunst

Isabelle Lesmeister

EIN PAAR FRAGEN AN…
ISABELLE LESMEISTER!

Dr. Isabelle Lesmeister hat in Regensburg und Florenz Kunstgeschichte, Italianistik & Anglistik studiert und in Kunstgeschichte promoviert. 2010 hat sie ihre Galerie in der Obermünsterstrasse 6 eröffnet und präsentiert Regensburg seither junge und kluge Kunst aus aller Welt. Im Mai 2020 zog Dr. Isabelle Lesmeister mit ihrer Galerie in die Räume des Kunstkabinetts in der Unteren Bachgasse. Marianne Schönsteiner-Mehr, die die internationale Kunstwelt seit 1979 in das beschauliche Regensburg brachte, verabschiedete sich nach 41 Jahren aus der Regensburger Galerieszene. Mit dem Umzug vergrößert sich nicht nur die Ausstellungsfläche der Galerie Lesmeister um das dreifache, sondern auch das Portfolio wird erweitert, um die erfolgreiche Arbeit des Kunstkabinetts fortzuführen. Gezeigt werden nun auch Grafiken und Multiples arrivierter Künstler, wie beispielsweise Antoni Tapíes, Eduardo Chillida, Günther Förg, Sam Francis, Heinz Mack, Günther Uecker, A.R. Penck, Alex Katz und Robert Longo.

Am 19. September findet der Regensburger Galerienabend statt – natürlich auch mit der Galerie Isabelle Lesmeister. Wir haben der sympathischen Galeristin ein paar Fragen gestellt.

RegensburgNow: Liebe Isabelle,

Was waren Deine bisherigen Lebensstationen?
Aufgewachsen bin ich mit zwei Schwestern in Niederbayern, in Mainburg. Nach dem Abitur zog ich sofort nach Regensburg. Nach zwei Semestern Pädagogik und Kunstgeschichte, legte ich das Fach Pädagogik, das mir so gar nicht entsprach ab und wechselte auf Anglistik und Italianistik. Während des Studiums verbrachte ich fünf Semester in Italien und kehrte auch nach meiner Magisterprüfung 2003 nach Florenz zurück um am Deutschen Kunsthistorischen Institut mit der Recherche für meine Dissertation zu beginnen. In dieser Zeit bereiste ich intensiv die Sehenswürdigkeiten Italiens und hatte in Florenz einen sehr großen italienischen und internationalen Freundeskreis. Einige der Freundschaften bestehen noch heute. Nach zwei Jahren Recherche musste ich eine Pause einlegen, da ich beruflich lieber mit Menschen zu tun haben wollte als immer nur mit Büchern und Abbildungen.

Isabelle Lesmeister
Dr. Isabelle Lesmeister (Foto: Holger Riegel)

Ich bewarb mich in Frankfurt bei einer Unternehmensberatung für den Bereich Art Consulting und wurde sofort genommen. Es folgte der Umzug nach Frankfurt, ein Project Job in der Kunstsammlung der Dekabank, eine Assistenz im Frankfurter Kunstverein unter der mittlerweile sehr renommierten Kuratorin Chus Martinéz. Frankfurt ist eine wahnsinnig tolle Stadt, da sie so international und dadurch extrem interessant ist. Schweren Herzens zog ich 2007 jedoch wieder nach Regensburg, um meine Dissertation endlich zu beenden und um danach weiter nach Barcelona zu ziehen. Dieser Plan wurde jedoch durch eine Beziehung und die Anstellung in einer Galerie durchkreuzt. Eine Festanstellung im Fachgebiet ist für Kunsthistoriker eher eine Seltenheit. Nachdem ich zwei Jahre die Galerie Art Affair geleitet hatte, machte ich mich 2010 mit meiner eigenen Galerie selbständig und beendete meine Dissertation.

Drei Charaktereigenschaften mit denen Du Dich spontan beschreiben würdest:
erfinderisch, (manchmal zu) ehrlich, unkonventionell

Was magst Du besonders gerne an Regensburg?
Ich liebe diese Stadt, da sie nicht zu groß und nicht zu klein ist. Es ist unbezahlbar, nicht mit dem Auto in die Arbeit fahren zu müssen und alles zu Fuß, mit dem Rad oder mit der Vespa machen zu können. Außerdem erinnert mich der Lebensstil in Regensburg an Italien, das ich ja doch mit einem weinenden Auge verlassen habe und vermisse. Gepaart mit der 2000 jährigen Geschichte und bayerischen Brauchtum ist diese Stadt wirklich sehr lebenswert.

Gibt es etwas, was Du weniger an Regensburg magst?
War die Altstadt während meines Studiums doch eher den Studenten vorbehalten, begegnet man heute großen Reisegruppen, die sich durch die engen Gassen quetschen und ratlosen Touristen mit einem Stadtplan in der Hand. Studenten können sich die Mieten in der Altstadt (bald) nicht mehr leisten und immer mehr kleine Läden verschwinden und machen Platz für große Franchise Unternehmen. Das finde ich sehr schade. Weil gerade dies den Charme unserer Stadt ausmacht.

Knackersemmel oder Prinzess-Pralinen?  
Eindeutig Knacker. Lieber noch sechs, auf Kraut aus der Wurschtkuchl.

Galerie Isabelle Lesmeister Regensburg
Galerie Isabelle Lesmeister (Foto: Julia Knorr)

Welche Art von Kunst zeigst Du in Deiner Galerie?
In meiner Galerie zeige ich internationale junge und arrivierte Künstler. Ein bewusster Bezug zur Kunstgeschichte, ihren verschiedenen Genres und Bildthemen, und der reflektierte Einsatz von alten, traditionellen Techniken zur Realisierung der Kunstwerke machen die Einzigartigkeit des Schaffens der Künstler der Galerie aus. Dabei beschränke ich mich nicht auf ein bestimmtes Medium. Gezeigt wird klassische Malerei, Skulptur und Zeichnung aber auch Fotographie, Objekt- und Videokunst sowie Installationen. Mir ist es auch besonders wichtig internationale Künstler nach Regensburg zu bringen.

Am 19. September ist der Regensburger Galerienabend. Was erwartet uns bei Dir?
Am Samstag wird die zweite Einzelausstellung der italienischen Künstlerin Giulia Dall’Olio eröffnet, die eigens dafür aus Bologna anreist. Das große Thema von Giulia Dall’Olios aktuellem Schaffen sind Landschaften. Dabei handelt es sich jedoch nicht um wirklich existierende Landschaften, die sie tatsächlich in der Natur studiert, vielmehr richtet sich ihre Konzentration auf das Innere, auf Seelenräume, metaphysische Landschaften. Mit dem menschlichen Blick wird versucht in das Wesen der Natur einzudringen. Dieses Sichtbar-machen, das Interpretieren von unsichtbaren, un(be)greiflichen Zuständen, von Visionärem, hat eine lange kunsthistorische Tradition. Sucht man nach Vorbildern und Wurzeln der Kunst von Giulia Dall’Olio, findet man diese sicherlich in der Romantik. In ihren graphischen Arbeiten isoliert, ja studiert sie die Natur noch in gesteigertem Maße. Sie rückt näher ans Detail, wählt Blüten oder Blätter zu ihren Motiven, die sie jeweils in Verbindung mit geometrischen Strukturen setzt. Dies können Gitter, Raster oder Linienkonstrukte sein, die die botanischen Muster aufgreifen, weiterführen oder frei interpretieren. Es handelt sich also um Verbindungen von organisch-natürlichen und menschlich-künstlichen Strukturen.

Giulia Dall’Olio

Wie wählst Du Deine Künstler aus?
Die Werke der Künstler müssen meinen Blick fesseln, mehrere Bedeutungsebenen, einen Bezug zur Kunstgeschichte und Alleinstellungsmerkmale haben. Da ich bereits seit Langem in der zeitgenössischen Kunstszene bin und ein sehr großes internationales Netzwerk aufgebaut habe, lerne ich immer wieder neue und sehr interessante Künstler kennen. Natürlich muss auch abgesehen vom Künstlerischen die Chemie stimmen. Da sonst eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich ist. Die Auswahl ist natürlich rein subjektiv.
Es gibt viele wahnsinnig gute Künstler, deren Arbeiten ich aber nie ausstellen würde. Ich erhalte täglich via Email oder Postsendungen Bewerbungen von Künstlern, die gerne mit uns zusammenarbeiten wollen. Hier ist die Qualität der künstlerischen Arbeit und die Selbsteinschätzung der Künstler aber häufig sehr unterschiedlich. Aber wir haben unseren festen Künstlerstamm und nehmen höchstens Gastkünstler für einzelne Ausstellungen oder Projekte auf.

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Dir aus?
Den gibt es bei mir nicht. Jeder Tag sieht anders aus und muss neu geplant werden. Da ich selbständig arbeite kann ich mir natürlich alles auch selbst einteilen. Was vielleicht gleich bleibend ist, ist der morgendliche Kaffee und Ratsch bei Luca im Il Bar in der 3 Mohrengasse und die morgendliche Runde mit meinem Galeriehund Layla. Ansonsten sind nur meine Galerieöffnungszeiten bindend, in denen ich dann die ganzen bürokratischen Sachen, Transporte, Messeplanung, Ausstellungsplanung, Künstlerkontakte usw. erledige. Da ich aber mit Künstlern aus Australien und gleichzeitig mit Künstlern aus Süd- und Nordamerika arbeite, kann es sein, dass ich auf Grund der Zeitverschiebung schon mal morgens um drei den Weitertransport einer feststeckenden Kunstsendung organisieren muss. Abends sind oft kulturelle Veranstaltungen, die ich gerne besuche. Vor allem hier vermischt sich Arbeit und Privatleben besonders und es kann eigentlich keine exakte Grenze gezogen werden. Das heißt man muss den Beruf der Galeristin wirklich rund um die Uhr leben.

Was magst Du an Deiner Arbeit besonders?
Studiobesuche bei Künstlern, neue Werke zu sehen und mit ihnen über ihre Arbeiten zu diskutieren. Ich liebe vor allem auch die Internationalität und das Reisen. Es wird nie langweilig. Besonders interessant sind auch die sozialen Kontakte. Als Galeristin bin ich Mittlerin zwischen sehr unterschiedlichen Gruppen. Auf der einen Seite die Kunstszene mit ihren ganz eigenen Gesetzen und Abläufen, auf der anderen Seite die Kunstinteressierten, Sammler und Kunden, die aus ihrem Leben heraus auch gern in die Unkonventionalität der Kunstszene eintauchen möchten. Dies wird ermöglicht durch die Auseinandersetzung mit der Kunst, dem Kennenlernen der Künstler auf den Vernissagen und schließlich auch dem Ankauf von Kunstwerken. So kann ich als Galeristin den gesamten Weg des Kunstwerkes von der Entstehung im Atelier des Künstlers bis zur Installation beim Sammler begleiten. Es ist immer wieder eine spannende Herausforderung den richtigen Künstler für einen Sammler zu finden und umgekehrt.

Hast Du einen Lieblingskünstler?
Außer den von mir vertreten Galeriekünstlern, begeistern mich besonders die Arbeiten von Alberto Giaccometti, Elizabeth Peyton und Sarah Lucas.

Beschreib Regensburg bitte kurz in Deinen eigenen Worten:  
inspirierend, lebenswert, gschmeidig

Was ist Dein Lieblingsort oder Lieblingsplatz in oder um Regensburg?
Die Winzerer Höhen. Von dort sieht man die ganze Stadt und die hügeligen Ausläufer des bayerischen Waldes, man ist aber gleichzeitig umgeben von einer großen Weite und schöner Natur. Ein Spaziergang dort mit meinem Hund Layla macht den Kopf frei.

Was ist Dein nächstes Projekt?
Eigentlich wollten wir zum Festival der fotografischen Bilder eine Ausstellung mit einem ungarischen Fotografen machen, das ist jedoch auf Grund der derzeit geschlossenen Grenzen Ungarns mehr als fraglich. Die Art Toronto, Art Miami und Palm Beach Contemporary, finden dieses Jahr leider nur digital statt, so dass wir den Winter in Regensburg bleiben müssen, aber wir werden wieder einen Pop Up Store „Made in Italy“ mit meinen Designerfreunden aus Italien machen und im November wird dann auch die letzte Ausstellung des Jahres eröffnet. Auch hier noch Unsicherheiten wegen Corona, aber man muss eben spontan und effizient arbeiten. Es wird also nie langweilig.

Vielen Dank für das tolle Interview, liebe Isabelle!
Am Samstag, den 19. September 2020
findet von 18.00 bis 23.00 Uhr
der Regensburger Galerienabend statt.
Mehr zum Galerienabend hier → Galerienabend

Die Eröffnung der Ausstellung von Giulia Dall’Olio ist um 19.00 Uhr
in der Galerie Isabelle Lesmeister. Die Künstlerin ist anwesend.

Galerie Isabelle Lesmeister
Dr. Isabelle Lesmeister
Untere Bachgasse 7
93047 Regensburg
Öffnungszeiten:
Dienstag-Freitag 11.00-13.00 & 14.00-18.00 Uhr
Samstag 11.00-16.00 Uhr
www.galerie-lesmeister.de

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Ab 26. September 2020 bis 7. Februar 2021 heißt es mit der neuen Bayernausstellung „Tempo, Tempo – Bayern in den 1920ern“. Die 1920er im Donausaal – eine Hälfte Ausstellung, eine Hälfte großes Kino. Tauchen Sie ein in dieses spannende Jahrzehnt! www.hdbg.de/tempo

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