Goldener Turm Regensburg
Geschichte,  Stadtrundgang

Goldener Turm

AUS DER REIHE: REGENSBURGER TÜRME!

Regensburg ist bekannt für seine Patriziertürme oder Geschlechtertürme.  Keine Stadt nördlich der Alpen hat so viele mittelalterliche Türme wie Regensburg. Im Mittelalter schauten sich die reichen Regensburger Patrizier die Türme bei ihren italienischen Handelskollegen ab. Die Türme waren steinerne Statussymbole der Oberschicht, die zum größten Teil aus Händlerfamilien bestand. Man sagt, der Begriff „steinreich“ stamme aus dieser Zeit: je mehr Geld man hatte, umso höher konnte man seinen Turm bauen.

Rainer Krämer ist in Regensburg aufgewachsen und liebt diese Stadt heiß und innig. Seit vielen Jahren interessiert er sich für die Geschichte der Stadt und hat einige Bücher über Regensburg veröffentlicht. Hier erzählt er uns vom höchsten Turm Regensburgs.

DER GOLDENE TURM IN REGENSBURG:

Kerzengerade, stolz und auch ein wenig trotzig-übermütig steht er seit 750 Jahren in der Wahlenstraße, die damals noch „Wallerstrazz“„ hieß.

Die superreichen Fernhändler Haymo und Waller (was sich übrigens von „Welsch“ ableitet = Personen aus Norditalien / Schweizer-Frankreichgrenzland) bauten ihren „Protzturm“ ab 1250. Zuerst mit nur 5 Stockwerken, und als sie allen ihre enormen Reichtum abermals zeigen wollten, setzten sie um 1300 nochmals 4 Stockwerke oben drauf. So steht er nun mit 50 m Höhe als Wahrzeichen, und auch als Mahnung einer ab 1400 erloschenen immensen Wirtschaftsmacht der Regensburger Patrizier.

Insgesamt gab es etwa 60 solcher Geschlechtertürme im Zentrum von Regensburg, 10 davon sind noch gut erhalten, z.B. der Baumberger Turm, Löbel-Turm, Bräunel-Turm, Kastenmayr-Turm, etc. Es muss auch zu damaliger Zeit  schon eine außergewöhnliche „Ingenieur-Leistung“ gewesen sein, so einen Paradeturm, der alles an sonstigen Türmen der Stadt überragend (außer den doppelt so hohen Domtürmen), zu bauen. Wie bei allen Regensburger Großbauten um 1200/1300 halfen dabei sicher wieder die privilegierten langobardische Bauhandwerker, Steinmetzen und Architekten aus der Region von Como und dem Comer See. Und wie bei allen anderen Wohnburgbauten in der Wahlenstraße und den Bachgassen auch, lieferte  dazu praktischerweise noch die nebenan verlaufenden römische Legionsmauer das erforderliche Material an behauten und mächtigen Quadersteinblöcke. Der „Steinbruch“ war also gleich nebenan. Nur auf solchen mächtigen steinernen Fundamenten konnten überhaupt solche Turmhöhen stabil erreicht werden.

Zimmer im Hotel Orphée Regensburg

Der Goldene Turm, heute Wahlenstraße 16, ist in einen hochmittelalterlichen Gebäudekomplex von 1100 eingebunden, der sich nach Westen hin wieder mit breitem Durchgang in die Untere Bachgasse 7 in Höhe „Orphée “öffnet“. Dieser schon von weither sichtbare Patrizierturm diente eher selten zum sicheren Aufbewahren der wertvollen Luxusgüter, die hier in der Regensburger „Fith Avenue“ 250 Jahre lang gehandelt wurden. Rauchwaren (Pelze), teures Goldtuchgewebe, Safran, Theriak, etc.,  waren die begehrten Güter der Betuchten.

Eigentlich war der Turm  nach Vorbild der Florentiner nur zum Angeben da: …schaut alle her, wie reich und mächtig wir sind…
Gleich gegenüber im „Degginger“, einer ebenfalls alten Wohnburg, wohnten ja auch nicht zufällig die ultrareichen Fernhändler namens Reich.

Für damalige Verhältnisse überaus großzügig zweispurig ausgelegt verlief Deutschlands älteste innerstädtische Handelsstraße, links und rechts von mindestens je 5 Stadtburgen der Patrizier umsäumt.

Wenige Regensburger werden wissen, dass sich eine relativ gut erhaltene massive Holzwendeltreppe bis in das 9. Turmstockwerk hinaufschlängelt. Diese hölzerne Treppe alleine ist schon ein bauliches Meisterwerk. Oben angekommen im Turmzimmer, finden wird an den holzverkleideten Wänden in Öl gemalte figürliche Darstellen eines unbekannten Meisters der Renaissancezeit. Bereits um das Jahr 1600 entstanden die auf den Holztafeln angebrachten Malereien. Sie zeigen meist unbekleidete weibliche und männliche Skulpturen, die in gemalten Wandnischen stehen. Eine genaue Deutung der Darstellungen ist aber schwierig.

Goldener Turm

Bekannt hingegen ist jedoch der Künstler, der um 1565 die Fassaden der oberen Turmstockwerke bunt bemalte, z.B. mit den Wappensymbolen von befreundeten Regensburger Städten. Melichor Bocksberger hieß der damals sehr geschätzte „Lüftlmaler“, der u.a. auch um 1570 das erste David-Goliathfresko schuf. Noch bis Anfang 1900 konnte man hoch oben am Golden Turm diese buntgemalten unterschiedlichen Stadtwappen ausmachen. Etwas urbaner ging es dort zur gleichen Zeit, aber 50 m tiefer am wöchentlich stattfindenden Schweinemarkt zu. Bekanntlich hat alles nun mal auch seine Zeit.

Und noch eine Besonderheit verbirgt unser „Goldener“. Ab 1530/1540 fanden im dortigen Turmzimmer hoch über dem Dächergewirr die konspirativen Treffen einige Regensburger  Magistratsherren – unter Führung von Johann Hiltner –  statt, um den Religionswechsel der Stadt zum Protestantismus vor zubereiteten. Am 15. Oktober 1542 fand die erste öffentliche evangelische Abendmahlsfeier statt. Dieser Tag gilt als das Datum, an dem die Reformation in Regensburg eingeführt wurde.

In den turmangrenzen Gebäuden waren u.a. das Gasthaus „zum Goldenen Turm“ bis Mitte 1600, und eine besondere Hauskapelle, die es gar in das päpstliche Kapellenverzeichnis schaffte. In dessen profaniertem Kapellen-Kreuzgewölbe befindet heute die „étagère “, ein ansprechender Laden für ein „Leben wie Gott in Frankreich“. Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble  enthält eine Studentenwohnanlage mit 43 Wohnplätzen.

Bedauerlicherweise ist der Goldene Turm nicht für die Öffentlichkeit begehbar, aber zumindest wissen wir jetzt ein wenig mehr über die Besonderheiten des Regensburger „Protzturmes“ in der „Wallerstrazz“.

Genießen diese besondere mittelalterliche Skyline „inter Latinos“.

Ein Gastartikel von Rainer Krämer. Rainer Krämers Bücher, wie zum Beispiel 
1400 Regensburger Straßennamen (Softcover / 34,50 € )
Regensburg Historie 100-1700 Band 1 (Softcover / 29,50 €)
Regensburg Historie 1800-2000 Band 2 (Softcover / 29,50 €)
oder Das große Regensburger Historien-Quiz (Softcover  / 19,50 €)
sind im Buchhandel erhältlich.

 

(unbezahlte Werbung wegen Namensnennung)

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